Dienstag, 31. Dezember 2013

Outing im Freundeskreis

Jahreswechsel 2013-2014
Ich will nicht mehr allein sein ... Outing im Freundeskreis

Silvester steht vor der Tür und ich überlege schon längere Zeit ob ich als Frau zur Silvesterfeier erscheinen soll. Doch bisher spielte sich mein Frau-sein nur in meinen vier Wänden ab und bis auf meinen Beinahe-Fast-Schwager Pascal weiss Niemand etwas davon, Zeit das zu ändern. Silvester mit seinen immer wiederkehrenden Vorsätzen für das neue Jahr Gehabe ist der perfekte Zeitpunkt … jetzt oder nie


Ein Jahr ist vergangen, seit ich mich vor meiner Frau und Tochter geoutet habe. Ein Jahr in dem so einiges bei und mit mir passiert ist. Zuhause kann ich mich nun kleiden, wie es mir gefällt. Ich kann mich schminken, habe meinen Kleiderschrank neu geordnet, 80% des selbigen werden nun durch Damengarderobe beansprucht, im Badezimmer haben wir uns auch neu sortiert (ich habe mich ausgebreitet), brauchen alle meinen tollen Dinge wie Parfum, diverse Körperpflegeprodukte und anderer überlebenswichtiger Krims-Krams doch auch seinen Platz und bei drei Frauen wird das schon etwas eng ;-)

Diverse Rasierapparate und andere Gerätschaften zum entfernen nicht mehr benötigter Körperbehaarung haben ebenfalls Einzug gehalten und belegen sämtliche Steckdosen, rund ums Waschbecken. Sollte hier etwas Stress vorprogrammiert sein, abgesehen davon das wir wohl besser einen Zeitplan für die Nutzung des Bades aufstellen sollten ? Kürzlich sagte mir meine Tochter das ich definitiv zulange Zeit für das Abschminken benötige, das geht auch schneller !

Für Alle die sich jetzt vielleicht ein wenig wundern warum wir vielleicht einen Zeitplan fürs Bad einführen sollten, das liegt daran das ich im Bad echt ungestört sein wollte, hatte ich doch mit einem gewissen Schamgefühl zu kämpfen. Ich hatte echt Probleme damit mich vor meiner Tochter in Frauenunterwäsche zu zeigen. Ich wollte auch nicht das mich die Mädels beim schminken beobachten. War mir irgendwie peinlich, die hätten mich bestimmt ausgelacht, wie ich mich anfänglich angestellt habe. Heute ist das anders ich habe gelernt das es für sie kein Problem darstellt aber es hat mich Überwindung gekostet.

Egal, weiter geht´s … also Zuhause war alles schick, ich konnte anfangen mich Stück für Stück zu öffnen und mich frei zu entfalten. Ich ging meinen Mädels schon mächtig auf den Zeiger, denn ich hinterfragte jede Veränderung an mir. Ich wollte zu allen Dingen eine Meinung wissen, kann ich die Haare so tragen, wie sieht das aus, sind die Tüten zu groß oder passen sie zu meiner Körperstatur ? Ich möchte jetzt nicht eingebildet werden aber ich hörte zum Glück selten eine negative Kritik. Nein … Du machst das wirklich toll, wir können uns überall mit dir sehen lassen ;-)

Doch all diese schönen Erlebnisse und Veränderungen finden nur Zuhause statt, sie Enden bisher direkt hinter der Wohnungstür, irgendwie so wie ich mich mein ganzes Leben hinter etwas verstecken musste. Wenn es an der Wohnungstür klingelt, dann muss ich plötzlich wieder Mann spielen. Dein Mann ist aber jedes mal wenn ich euch besuchen komme auf dem Klo … ist ja komisch …

Ja sehr komisch ... ich bekomme ja auch jedes mal einen Herzkolla, wenn es an der Tür klingelt, egal ob es Freunde, Familie oder der Postboote ist. Es durchzuckt mich regelrecht, so das ich einen halben Meter vom Boden abhebe und dann greif ich mir alles was irgendwie nach Frau aussieht und renne stolpernd ins Bad ... schnell umziehen.

Ich habe dann auch schon mal vergessen das ich Nagellack trage, ich habe dann den ganzen Abend mit verkrampften Händen da gesessen, wie Vogelkrallen ... als ob ich Gischt hätte, damit Niemand meine lackierten Nägel sieht.

Mich plagt das schlechte Gewissen ich belüge Freunde und Familie, so kann und darf es nicht weiter gehen. Das ist nicht die Freiheit wie ich sie mir wünsche, eine Freiheit die bestimmt wird durch verstecken spielen, Mann sein müssen, vernachlässigen sozialer Kontakte, Lügen ...

So geht das alles nicht weiter ich muss raus unter Menschen, ich muss richtig am Leben teilhaben ich muss mich auch nach Aussen öffnen, ich brauche keinen goldenen Käfig. Raus auf die Strasse mich ins Leben stürzen, ich wünsche mir das schon so so lange aber das funktioniert nur wenn ich endlich raus gehe und mich Freunden und der Öffentlichkeit öffne.

Es wird ein harter Weg ich weiss nicht was mich erwarten wird. Werde ich am Ende womöglich allein da stehen, verliere ich meine Freunde ? Welche Auswirkungen wird ein Outing mit sich bringen ? Ich werde es herausfinden müssen aber erst einmal werde ich mich en femme auf die Straße stürzen. Testgelände sozusagen, ich möchte mich vor meinen Freunden nicht blamieren, jetzt beginnt der Feinschliff.

Meine ersten Versuche fanden natürlich am Abend wenn es dunkel war statt. Wir sind mitten im Herbst und ich ziehe meinen neuen Wintermantel an, welchen ich endlich bekommen habe. Ich habe lange nach einem Wintermantel in meiner Größe gesucht, es ist nicht einfach einen in meiner (48+) zu bekommen. Ja … wir Deutschen leiden alle an Übergewicht, das spiegelt sich hier deutlich wieder. Ich wollte immer schon so einen haben, mit einer kuschligen Kunstfell Kapuze, wie lange habe ich den Mädels im Winter neidisch hinterher geschaut.

Also … Frauchen geschnappt und einen Abendspaziergang machen, Hand in Hand eine riesige Runde sind wir gelaufen, ich in meinem neuen Mantel, den neuen Stiefeln … es war herrlich. Das klackern der Absätze, wie ich es liebe ;-) Arm in Arm, wie zwei Freundin … zwei Schritt vor, ein zurück, einen links und ein nach rechts …

Bei jedem Menschen der uns entgegen kam senkte ich meinen Kopf. Ich konnte mich gut unter der kuschligen Kunstfell-Kapuze verstecken. Ich hatte Angst das man mich als Mann erkannte. Zuhause angekommen mischten sich Glücksgefühle mit Ärger. Ich ärgerte mich darüber das ich mich immer wieder unter meiner Kapuze versteckt habe. 

Nein so wird das nichts und deshalb bin ich gleich am nächsten Tag wieder raus. Gut es war auch dunkel aber ich bin raus, auf den Te-Damm … viele Menschen, Einkaufscenter, Berufsverkehr in Berlin … kurz es war viel los auf den Strassen. Kopf hoch und durch, ich beobachtete meine Umwelt genau, jedoch schien sie keinerlei Notiz von mir zu nehmen. Niemand starrte mich an oder schlimmer, lachte vielleicht. Ein tolles Fazit für mich, bis auf den Hundehaufen unter dem Laub … menno warum klackern meine Stiefel nicht mehr ?

Mein Entschluss steht fest, Silvester als Frau … komm mit mein Schatz, wir müssen shoppen gehen !
Aufgedreht wie immer packe ich mein Frauchen und zerre sie ins nächste Einkaufscenter.

Tinka braucht etwas schickes zum anziehen, festlich sexy und weiblich muss es sein und von wegen nur Männer bekommen eine Krise wenn sie mit ihren Frauen shoppen müssen, nein das stimmt nicht ;-)

Die Entscheidung was ich denn nun tragen werde fällt 30 Minuten bevor wir bei meiner Schwester sein sollten auf ein schwarzes Mini-Kleid mit Netzstrümpfen und tiefen Einblicken. Es ist kalt draussen aber ich spüre das nicht. Ich geniesse vielmehr dieses freie Gefühl, wie der Wind um meine Beine pustet.

Der Abend beflügelt mich und zu später Stunde, reichlich angeschossen, als die Mobilfunknetze in Deutschland so langsam zu Höchstleistungen auflaufen müssen, ist auch meine SMS an meinen Kumpel Ingo mit dabei … und viele weitere werden später folgen.



Der Schritt mich in meinem Freundes- und Bekanntenkreis zu outen ist eine logische Folge und nicht zu verhindern. Die Frage ist halt auch wann ist der richtige Zeitpunkt dafür ? Ich, also icke muss vor solch einem Schritt natürlich einiges beachten. Aber das wichtigste was noch vor meinen eigenen Wünschen und Bedürfnissen stand war und ist meine Tochter !

Ich war und bin glücklich und meiner Tochter natürlich dankbar, das sie das mit mir alles so mitmacht, was für Herausforderungen sie meistert, welche ich ohne sie zu fragen einfach in ihr Leben getragen habe. Das sie mich 100% akzeptiert, das sie mich unterstützt und hinter mir steht. Aber trotzdem hat auch sie ihr eigenes Leben, ein öffentliches Leben welches ich zu respektieren habe und respektiere.

Und derzeit (2013) ist sie noch nicht bereit ihren Freundeskreis einzuweihen. Das ist durchaus ein Problem für mich, denn ihr Freundeskreis schneidet sich natürlich auch mit mir … bin ja der Papa ;-) Ich habe meine Tochter quasi in ihrem 15 Lebensjahr da mit reingezogen und was Kinder/Jugendliche mit solch einer Information wie „Papa trägt Röckchen“ alles machen können, möchte ich jetzt hier nicht weiter ausmalen.

Sie ist nun 17 Jahre alt (2013) und sie hat eine Freundin eingeweiht. Ich kenne ihre Freundin schon aus dem Kindergarten, indem sie beide zusammen waren. Ihre Freundin findet das alles cool und meine Tochter hat nun endlich einen gleichaltrigen Menschen zum austauschen, einen Menschen aus ihrer Generation.

Meine Tochter hat sich dann über das gesamte Jahr 2013 hinweg mit meinem Wunsch beschäftigen müssen. Ich habe sie nicht gedrängt, sie hat sich ganz allein Stück für Stück mit der Thematik beschäftigt, hat Informationen und Meinungen aus ihren Kreisen gesammelt und sich mit der Situation auseinander gesetzt.

Gemeinsam haben wir über Vor- und Nachteile gesprochen, wir haben das gesamte Jahr Revue passieren lassen, mit all den Dingen die wir zu beachten hatten. Wir hatten einen Wochen- Tagesplan aufgestellt. Dort stand an welchen Tagen sie ungefragt Besuch mitbringen darf, damit sie sich sicher sein konnte das sie in keine peinliche Situation gerät. Nicht schön ... aber es hat uns in dem ersten Jahr geholfen. Vor dem Plan sind Spannungen entstanden, wir haben GEMEINSAM an Lösungen gearbeitet.

Die Gesamtsituation blieb jedoch für uns alle unbefriedigend, weil einengend und nicht frei !

Zum Jahreswechsel 2013-2014 habe ich von meiner Tochter dann das OK zum Outing im gemeinsamen Freundes- und Bekanntenkreis bekommen … ich habe diese Chance genutzt und mit bedacht und vor allem langsam begonnen mich bei Freunden, Familie und Bekannten zu outen.

Mittwoch, 1. Mai 2013

Fluch oder Segen ?

Endlich, der Frühling kommt und ich kann es kaum mehr erwarten endlich einmal meine neuen Kleider auszuführen. Das Outing vor meiner Frau und Tochter habe ich hinter mir und nun ... neues Jahr und es kann endlich losgehen.
Aber für mich ist etwas anderes in diesem Frühling vorgesehen. Denn eines schönen Frühlingsmorgen sitze ich bei meinem ... ich sage mal morgendlichem Geschäft. Und während ich mich mit dem hübschen mit Blümchen bedruckten Toilettenpapier in der Hand haltend, um 45 Grad drehe, um das Geschäft zum Ende zu bringen, macht es Knack in meinem Hals. Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule, das wars ...


OK, ich möchte hier nicht schon wieder rumjammern, aber das war die schlimmste Zeit meines Lebens. Ich war 4-6 Wochen überhaupt nicht mehr auf diesem Planeten, soviel coole Mittelchen ... alles so schön bunt hier ... musste ich mir wegen der Schmerzen einklinken. Nun, nach 4-6 Wochen konnte ich mich wenigstens wieder einigermaßen schmerzfrei bewegen, aber das Ende ... war das noch lange nicht.


So viel zum Fluch, kommen wir nun zum Segen.

- Wir haben Mitte April 2013. Meine Personenwaage schreit mir jeden Morgen ein lautes 90 Kilo in Gesicht, ich bin totunglücklich.

- Wir haben Mitte Juni 2013. Meine Personenwaage stammelt nur noch leise jeden Morgen 78 Kilo in mein grinsendes Gesicht, ich bin überglücklich :-)

Die letzten 4-5 Jahre habe ich vergeblich versucht etwas gegen mein Gewicht zu tun. Ich wurde immer fetter und fetter. Ich habe schon überhaupt nichts mehr gegessen, doch das Gewicht stieg.

Durch den Bandscheibenvorfall habe ich über 12 Kilo in kurzer Zeit verloren, ein perfekter Ausgangspunkt zum Sommershoppen ... freu !